Berlin, 19.11.2025 (PresseBox) –  
Eine Zeile aus der Berliner Zeitung vom 23. Oktober 2025 – pointiert, provokant, klickstark.
Aber auch: irreführend.

Denn sie vereinfacht, was komplex ist, und suggeriert, was kein Fachmensch unterschreiben würde.

Man könnte sagen alle Jahre wieder. Die Debatte und die Sinnhaftigkeit von Dämmung wird in regelmäßigen Abständen befeuert. Da spielen Interessen eine Rolle, die Neigung der Medien kontroversen zu schüren, wie aber auch Vorurteile, die sich seit Jahren hartnäckig halten. Dass Dämmung derzeit wieder zur Zielscheibe wird, ist, nun ja, kein Zufall. Baukosten steigen, Förderregeln ändern sich, die Zinslast wächst – und irgendwo muss die Wut hin. Doch wer Ursache und Wirkung verwechselt, landet bei falschen Schlussfolgerungen.

Was die Fakten sagen – nicht die Schlagzeile

Rund ein Drittel des deutschen Endenergieverbrauchs entfällt auf Gebäude, vor allem für Heizung und Warmwasser. Das Umweltbundesamt hält dazu klar fest: Die Energie, die durch Dämmung eingespart wird, übersteigt den Energieaufwand zu ihrer Herstellung um ein Vielfaches.

Langzeitdaten des FIW München und der dena zeigen ebenfalls, dass sich energetische Sanierungen im Bestand wirtschaftlich rechnen, häufig innerhalb weniger Heizperioden. Bei älteren Gebäuden kann die Amortisation bereits nach wenigen Jahren eintreten, bei neueren dauert sie länger – der physikalische Effekt bleibt in jedem Fall messbar.

Ein ungedämmtes Flachdach liegt häufig bei einem U-Wert von rund 2,0 W/m²K. Wird dieselbe Fläche als Umkehrdach mit 200 Millimetern XPS ausgeführt, sinkt der U-Wert auf etwa 0,20 W/m²K. Damit verringern sich die Transmissionsverluste typischerweise von rund 150–200 auf etwa 15–20 kWh je Quadratmeter und Jahr – eine Einsparung von etwa 130–180 kWh pro Quadratmeter und Jahr. (Modellrechnung; reale Werte variieren je nach Aufbau, Nutzung und Standort.)

Anschaulich übersetzt auf das gesamte Dach:

  • Bei 120 m² Dachfläche entspricht diese vermiedene Energiemenge – je nach angenommener Temperaturdifferenz – rund 900 bis 1.300 Litern erhitzten Wassers pro Tag.
  • Bei 150 m² Dachfläche sind es etwa 1.200 bis 1.600 Liter täglich.

Diese Größenordnung macht sichtbar, wie viel Energie über eine ungedämmte Dachfläche unbemerkt verloren geht – Tag für Tag.

Baukosten steigen – aber nicht, weil wir dämmen

Natürlich ist der Frust groß. Die Kosten im Bau- und Sanierungssektor explodieren – Dämmstoffe teurer, Handwerk knapp, Zinsen doppelt so hoch wie vor drei Jahren.
Aber: Der Preisauftrieb kommt nicht aus der Physik.

Laut Statistischem Bundesamt stiegen die Preise vieler Baustoffe infolge globaler Lieferkettenprobleme und der Energiekrise stark an: Dämmstoffe um bis zu 60 Prozent, Bauholz um mehr als 80 Prozent. Gleichzeitig verschärften sich die regulatorischen Anforderungen – vom Gebäudeenergiegesetz über ESG-Berichtspflichten bis zur EU-Taxonomie.

All das hat den Aufwand vervielfacht – nicht die Dämmwirkung. Dämmung spart Energie. Bürokratie kostet sie.

Physik ist keine Meinung

Wer von „ineffizienter Dämmung“ spricht, verwechselt zwei Ebenen: die technische und die wirtschaftliche.

Physikalisch steht die Wirkung fest: Weniger Wärmeverlust durch verbesserte Hülle.
Wirtschaftlich hängt der Nutzen von Energiepreisen, Ausgangszustand und Ausführung ab.

Selbst Effekte wie der Prebound-Faktor – also real niedrigerer Verbrauch als berechnet – ändern daran nichts. Sie mindern die Einsparquote, nicht den Effekt selbst.

Und wo Gebäude bereits stark saniert sind, sinkt der Grenznutzen logischerweise: Je weniger Verlust, desto kleiner der Rest.

Der Unterschied zwischen Bauphysik und Bauchgefühl

In der öffentlichen Wahrnehmung verschmelzen derzeit Energiepolitik, Förderwirrwarr und Baufrust zu einem diffusen Gefühl: „Es lohnt sich doch alles nicht mehr.“
Doch das ist eine Wahrnehmung, keine Messung.

Dämmung funktioniert, weil Wärmeleitung berechenbar ist. Sie schützt Bauteile, spart Heizenergie, reduziert Emissionen und steigert Wohnkomfort – das ist keine Meinung, sondern Bauphysik im Alltag.

Fazit: Schlagzeilen wärmen keine Häuser

Dämmung ist weder Wundermittel noch Feindbild.
Sie ist ein Werkzeug – eines der wenigen, das zuverlässig wirkt, wenn man es richtig anwendet.

Wer sie in Zweifel zieht, weil Baukosten steigen, verwechselt Ursache mit Symptom.
Nicht die Dämmung ist das Problem, sondern der Diskurs über sie.

Denn Schlagzeilen mögen Aufmerksamkeit bringen.
Aber Wärme? Bringen sie nicht.

Zur Erklärung des U-Werts/Bauphysik-Grundlagen: https://www.uba.de/themen/klima-energie/energiesparen/waermedaemmung

Praxisbeispiele aus realer energetischer Sanierung: https://www.enev-online.org/enev_praxis/beispiele